Der Mühlbach in Betzenhausen

Die letzte Mühle in Betzenhausen

Der heutige Mühlbach hat nicht mehr viel zu tun mit dem ursprünglichen Gewässer, das über lange Zeit das Leben in Betzenhausen geprägt hat. Der frühere Mühlbach (Mühlebach) war ein Wasserkanal mit mehreren Metern Breite und folglich auch mit weit mehr Wasser: nur so konnten auch die Wasserräder betrieben werden. Nebenbei versorgte dieser Bach auch noch die umliegenden Wiesen mit Wasser. Der Mühlbach galt einst als Lebensader von Betzenhausen (Beitrag aus Bürgerblättle 161, Juni 2002).

Auch der alte Mühlbach wurde über die Dreisam gespeist (mit Abzweigung etwa auf der Höhe der heutigen Berliner Allee) und endete wie heute hinter Legen. Es war also schon damals ein Runzbach. Der heutige Bach bei der Anne-Frank-Schule entspricht etwa noch dem ursprüglichen Lauf.

Über den Mühlbach wurden sogar im Jahr 1941 noch drei Wasserräder betrieben: eines gehörte zur Firma Beck, die Polsterwatte herstellte. Eine Wasserrad gehörte zur Mehlmühle Messerschmitt an der Dietenbachstraße (siehe Bild), die noch bis Ende der 1960er Jahre betrieben wurde. Diese letzte Mühle wurde auch erst 2002 abgerissen (siehe Bürgerblättle 161, Die alte Mühle von Betzenhausen ). In Lehen gab es dann noch ein Wasserrad, über das Maschinen zur Bürstenherstellung betrieben wurden.

Für die Kinder war der alte Mühlbach eine Gelegenheit um zu baden: in den 1920er-Jahren war sogar mal im Gespräch, dort ein Freibad einzurichten, denn in Betzenhausen hatte noch kein Schüler-/Volksbad wie andere Stadtteilen. Aber der Wasserstand war wohl zu schwankend und auch das Wasser nicht immer sauber genug: keine Wunder bei der verbreiteten Wassernutzung über Färbereien,  Fabriken sowie Gas- und Elektrizitätswerke (ein Bad wurde am Ende im Keller der Volksschule realisiert, siehe Beitrag hier).

Irgendwann war die Zeit der Wasserränder vorbei; und auch die Bewässerung der Wiesen nicht mehr erforderlich. In den 1960-er Jahre kamen zwei Bauvorhaben dem Mühlbach bzw. dem vorherigen Abzweig aus der Dreisam in die Quere: der Bau des Zubringers-Mitte mit Berliner Allee und auch die dort neu verlegte Gasleitung. Der vorherige Zulauf wurde geschlossen und Teile des Mühlbachs dort zugeschüttet. Zeitweise war sogar die komplette Trockenlegung diskutiert worden; allerdings konnten Vertreter von Betzenhausen und Lehen intervenieren. Mit dem Runz-Wesen verknüpft sind auch alte Wasserrechte der Runzmitglieder, die nicht einfach so übergangen werden können. So kam es zur heutigen “Notlösung” mit Restwasser aus der Escholz-/Metzgergrün-Runz.

Und so ist der heutige Weg des Wassers zu uns: nach Ausleitung aus der Dreisam auf Höhe Sandfang führt der Wasserweg über Gewerbekanal bis zum Martinstor. Von dort geht es überwiegend unterirdisch weiter entlang Metzgerau bis zur Faulerstrasse.  Dann Unterquerung der Bahnhofs-Bahnlinie und ab Kanalstrasse teilweise oberirdisch weiter entlang Ferdinand-Weiß-Strasse: durch die Schrebergärten an der Bissierstrasse, um dann die Berliner Allee zu unterqueren. Die Restmenge an Wasser füttert ab Anne-Frank-Schule unseren heutigen “Mühlbach”.

Gleich im ersten Abschnitt hinter der Anne-Frank-Schule wurde Ende der 1980-Jahre mit der neuen Bachführung auch ein Feuchtbiotop angelegt. Für dieses “Schulbiotop” hat dankenswerterweise und mit viel Engagement die Anne-Frank-Schule schon 1998 eine Bachpatenschaft übernommen (siehe Bericht zur Übergabe der Urkunde im Bürgerblättle 148). Auch über die Pflege durch Eltern und Kinder der Schule haben wir gelegentlich berichtet, z.B. im Bürgerblättle 183 (April 2007).

Das Bett des Mühlbachs führt vorbei an Sonnland und den SFE Sportplätzen weiter in Richtung Lehen (mit Unterquerung Paduaallee); in Lehen führt schliesslich der Weg zurück in die Dreisam an der Strasse “Im Hirschgarten”.

Leider hat dieser Rest Mühlbach kaum eine Chance zu aktivem Flussleben; zumal er inzwischen sehr oft ausgetrocknet ist (z.B. in trockenen Sommermonaten aber auch begründet durch Wartungsarbeiten am Gewerbekanal). Unrat tut ein Übriges. Der Zustand den Mühlbachs war schon häufig Thema im Bürgerblätte (z.B. Ausgabe 146 von 1998 mit dem Bericht “Warum gibt es im Mühlbach keine Forellen mehr ).

Der Bürgerverein Betzenhausen und Ortsverein Lehen setzen sich ein für eine weitere Renaturierung des Mühlbachs ein, was z.B. als Ausgleichsmaßnamen für aktuelle Bauvorhaben erfolgen könnte.


Stand 03.2020

2018 und 2019 waren sehr trockene Jahre und der Mühlbach praktisch das ganze Jahr über ausgetrocknet. Dies liegt zum einen am Wassermangel in diesen Jahren (Klimawandel), zum anderen wurde auch die EU Wasserrahmenrichtlinie umgesetzt: nach dieser Richtlinie muss die Dreisam nun bei trockener Witterung einen höheren Restwasserspiegel behalten, um die dortigen Fischbestände zu schonen. Der Mühlbach bekommt sein Wasser als “Restgewässer” vom Gewerbekanal, der am Sandfangwehr in Littenweiler abzweigt. Wenn bei Trockenheit für den Gewerbekanal die Wassermenge reduziert wird, kommt weniger in Betzenhausen-Bischofslinde an. Das wenige Wasser versickert zudem unterwegs. Eine technische Möglichkeit, um Wasser bis nach Lehen zu behalten, wäre das Einbauen von Lehmmatten, schon auf Höhe des Stühlingers. Dies ist jedoch eine aufwenige und teure Methode. Sie könnte vielleicht als Ausgleichsmaßnahme für die Baugebiete Kleinescholz und Metzgergrün fungieren. Der AK Natur hat der Stadtverwaltung entsprechende Vorschläge gemacht.