200 Jahre Dreisam-Regulierung

Anfang 2022 schauten wir 200 Jahre zurück: Damals wurde eine ganz besondere Baustelle eröffnet, die weitreichende Auswirkungen auf das damalige Leben in Betzenhausen hatte und im Grunde die Entwicklung zum heutigen Stadtteil erst möglich machte. Es geht um die Begradigung der Dreisam nach den Plänen von Wasserbau-Ingenieur Johann Gottfried Tulla, der ja auch für die Begradigung des Rheins in jener Zeit verantwortlich war: in den Jahren 1822 bis 1824 erfolgten die wichtigsten Arbeiten auf dem Teilstück zwischen Freiburg und Lehen. Dazwischen natürlich die Gemarkung von Betzenhausen und der Umbau war auch dort sehr willkommen.

Ein alter Seitenarm

Bis zu diesem Zeitpunkt war die Dreisam ein weitläufiges System aus verschiedenen Flussarmen, die sich immer wieder neue Wege suchten und sich zeitweise über eine Breite von bis zu 2 km ausdehnte. Dieses Fluss-System durchquerte auch die damalige Gemarkung von Betzenhausen, denn die reichte fast bis zum heutigen Stadtteil St. Georgen. Die Dreisam prägte aus verschiedenen Gründen das Leben im Bauerndorf Betzenhausen. Insbesondere häufige Überschwemmungen brachten Gefahren mit sich: Im stehenden Wasser bildeten sich Krankheitserreger (z.B. für Tuberkulose oder Sumpffieber / Malaria, was wir heute nur in fremden Ländern verorten); ggf. war selbst das Wasser in den Brunnen nicht mehr trinkbar. Teilweise blieb das Wasser so lange Zeit auf den Feldern und Wiesen stehen, dass Ernten verfaulten und am Ende der Hunger quälte.

Ziel der Begradigung war also vor allem ein Schutz vor Hochwasser; nebenbei sollten natürlich auch landwirtschaftliche Flächen für Ernährung der Menschen gewonnen werden. Versuche zur Dreisam-Eindämmung hatte es auch schon in den Jahrhunderten davor gegeben: begleitet wurden die Maßnahmen und Ideen z.B. über die Freiburger Wuhrordnung. Aber als Hochwasser-Schutz war vorher alles Stückwerk geblieben. Im Jahr 1812 hatte Ingenieur Tulla als Vertreter des Wasser- und Straßenbauamtes Karlruhe seine Pläne vorgelegt, bereits 1817 ging es los. Aber am Ende sollte die Umgestaltung doch über 25 Jahre dauern (Wetter, fehlendes Geld und andere Sorgen, die man heute auch noch so kennt).

Die Dreisam bei Betzenhausen

Danach lag die Dreisam fast wie ein Strich in der Landschaft und erhielt dabei das typische “Doppeltrapezprofil”. Dieser Querschnitt sorgt für eine kontinuierlich hohe Fließgeschwindigkeit und kann gleichzeitig Platz für große Wassermengen bieten, um Überflutungen zu vermeiden. Auch viele andere Flüsse wurden in jenen Jahrzehnten nach gleichem Prinzip umgestaltet: z.B. die Elz. Mit dem gemeinsamen Umbau entstand vor deren Mündung auch der Leopoldskanal zwischen Riegel und Rhein, um ggf. großen Wassermengen aus beiden Flüssen gewachsen zu sein.

Fast unvorstellbar sind die damaligen Arbeitsbedingungen: kein Bagger, kein Lkw. Das neue Flussbett wurde mühsam von Hand freigeschaufelt und der Aushub dann mit Körben oder Schubkarren transportiert. Tätig waren überwiegend Tagelöhner: finanziert von den anliegenden Gemeinden (der Sold war sicher nicht zu hoch gegriffen, Mindestlohn ja auch noch kein Thema…). Die Dämme seitlich der Dreisam wurden überwiegend aus Material aufgeworfen, das man aus dem neuen Flussbett geschaufelt hatte. Deren Befestigung war noch ein eigenes Thema, denn die Kraft des Wassers wird in gebündelter Form ja nicht weniger, sondern eher mehr.

Auch wenn die grundlegenden Arbeiten auf Höhe Betzenhausen schon in den Jahren 1822 bis 1824 erfolgten, die alten Seitenarme wurden erst einige Jahre später geschlossen und dann auch stillgelegt. Erst danach wurde es möglich, die zugehörigen Ländereien intensiver zu nutzen (überwiegend Wiesen). Der damalige Mühlbach erhielt sein Wasser von nun an über Ausleitung aus der begradigten Dreisam. Damals führte er auch noch genügend Wasser um Mahl- und Ölmühlen in Betzenhausen zu betreiben: also nicht vergleichbar mit dem heutigen (Mini-)Mühlbach.

Im Laufe der nachfolgenden Jahrzehnte zeigten sich aber auch die Nachteile der Begradigung: der Grundwasserspiegel senkte sich immer mehr (z.B. weil die Überflutungen jetzt fehlten); es folgten sogar Zeiten mit ernstem Wassermangel in den Bächen und Brunnen von Betzenhausen. So wurde am Ende der Anschluss an die Freiburger Wasserversorgung sogar zu einem wichtigen Anliegen im Eingemeindungsvertrag mit Freiburg im Jahr 1908. Und da beginnt spätestens eine neue Geschichte…

Zum Abschluss: für uns ist die Dreisam heute vor allem ein Naherholungsgebiet oder eine Rad-Verkehrsverbindung. Die historischen Gefahren haben wir nicht vor Augen; heute würde man die Begradigung auch anders bewerten, insbesondere aus ökologischer Sicht mit dem Verlust an Naturraum. Im Osten von Freiburg hat vor Jahren schon ein gewisser Rückbau begonnen: dort waren die früheren Umbauten aber ohnehin nicht so gravierend. Wenn jetzt im Zusammenhang mit Baugebiet Dietenbach und dem Gaskugel-Projekt auch eine Re-Vitalisierung der Dreisam im Raum steht, dann sind das schöne Aussichten für alle angrenzenden Stadtteile, bzw. den gesamten Freiburger Westen.

Bei weiterem Interesse am spannenden Thema „unserer“ Dreisam hier eine passende Buchempfehlung: „Die Dreisam: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“; Jörg Lange und RegioWasser e.V., Lavori Verlag Freiburg.


Der Text basiert auf einem Beitrag in unserem Stadtteil-Magazin “Bürgerblättle”, Ausgabe 341, Febr./März 2022.

Siehe auch unsere allgemeinen Beiträge zur Dreisam mit weiteren Infos und zum Mühlbach, einst Lebensader von Betzenhausen.

Zum Umfeld passt sicher auch unser Blick in die Beschichte von Betzenhausen.

Lang ist her, da hatten wir im Bürgerblättle eine Beitragsserie mit verschiedenen Themen aus der Geschichte von Betzenhausen (siehe zugehörige Themen-Übersicht); insbesondere auch zu Naturraum und Siedlungsbild von Betzenhausen mit weiteren Hintergründen zum Thema hier.

Johann Gottfried Tulla kennt man wegen seinen Arbeiten zur Flussbegradigung; er gründete nebenbei aber auch z.B. die Ingenieursschule Karlsruhe, heute das „Karlsruher Institut für Technologie (KIT)“. Zu seinem Leben und Wirken möchten wir auf entsprechenden Wikipedia Beitrag verweisen.