Literatur ist gefragt!
Wiedererkannt?
Kürzlich bei der Nachbarin: “Ich lese gerade ein Buch, das du sicher kennst. Hier mal ein paar Zeilen aus der Einleitung: Erkennst du sie wieder?”
Eine Frage mit schönem Aha-Effekt!
Also haben wir ab Bürgerblättle vom Okt./Nov. 2021 eine kleine Reihe mit Zitaten aus bekannten Büchern gestartet. Und wo eine Frage gestellt ist, sollte es natürlich auch Antworten geben…
Ausgabe Aug./Sept. 2022: Dieses mal haben wir es mit einer Ballade versucht von Theodor Fontane. “Die Brück’ am Tay“ haben haben wir mit folgender Stophe zitiert:
Auf der Norderseite, das Brückenhaus –
Alle Fenster sehen nach Süden aus,
Und die Brücknersleut’ ohne Rast und Ruh
Und in Bangen sehen nach Süden zu;
Denn wütender wurde der Winde Spiel,
Und jetzt, als ob Feuer vom Himmel fiel’,
Erglüht es in niederschießender Pracht
Überm Wasser unten … Und wieder ist Nacht.
Und auch hierzu wieder ein paar Hintergründe:
Theodor Fontane (1819 – 1898) war Schriftsteller, Journalist und Kritiker und gilt als bedeutender Vertreter des poetischen Realismus. In seinen Romanen beschreibt er Figuren aus einer kritischen und liebevollen Distanz, aber auch sehr genau. Er erhielt schon zu Lebzeiten viele Auszeichnungen und war auf Briefmarken abgebildet. Mehr zu Fontane wieder auf Wikipedia.
Die Ballade “Die Brück’ am Tay” hat historische Hintergründe und handelt vom Einsturz der eine schottischen Brücke im Dezember 1879, bei der ein Eisenbahnzug in die Tiefe stützte (mit 75 Toten). Das ganze passiert schon eineinhalb Jahre dem Bau der Brücke während eines Sturms. Es sollte eine Ballade gegen zu viel Technik-Gläubigkeit werden.
Zu Abschluss: Die kleine Serie hatten wir vor einem Jahr begonnen. Doch wo ein Anfang, da ist meist auch ein Ende: Die Ballade Theodor Fontane soll also vorerst unsere letzte Aufgabe gewesen sein. Wir würden uns freuen, wenn die ein oder andere Literaturstelle nicht nur erraten wurde, sondern auch als Anregung gedient hat.
Ausgabe Juni/Juli 2022: Nach dem Roman “Der Trafikant” von Robert Seethaler hatten wir in dieser Ausgabe gefragt. Und hier das Zitat:
“An einem Sonntag im Spätsommer des Jahres 1937 zog ein ungewöhnlich heftiges Gewitter über das Salzkammergut, das dem bislang eher ereignislos vor sich hin tröpfelnden Leben Franz Huchels eine ebenso jähe wie folgenschwere Wendung geben sollte. Schon beim ersten fernen Donnergrollen war Franz in das kleine Fischerhaus gelaufen, das er und seine Mutter in dem Örtchen Nußdorf am Attersee bewohnten, und hatte sich tief ins Bett verkrochen, um in der Sicherheit seiner warmen Daunenhöhle dem unheimlichen Tosen zuzuhören. Von allen Seiten rüttelte das Wetter an der Hütte…”
Auch hier wieder ein paar Hintergründe:
Der Roman beschreibt ein Jahr im Leben von Franz Huchel und spiegelt dabei auch historische Ereignisse in Österreich vom Spätsommer 1937 bis zum Juni 1938 wider: also in der Zeit kurz vor dem Anschluss Österreichs und kurz danach. Franz Huchel muss sein Heimatdorf verlassen um in Wien eigenes Geld zu verdienen. Er beginnt eine Lehre in einem Kiosk für Zeitungen und Tabakwaren (in Wien werden diese kleinen historischen Läden als “Trafik” bezeichnet). In dieser Zeit des Umbruchs enstehen im Roman aussergewöhnliche Freundschaften z.B. zu Signumd Freund.
Der Roman des österreichischen Schriftstellers, Drehbuchautors und Schauspielers Robert Seethaler erschien im Jahr 2012. Der großes Erfolg des Romans führt 2018 zu einer Verfilmung, die in deutschsprachigen und internationalen Kinos lief. Mehr Hintergründe wie üblich auf Wikipedia.
Ausgabe April/Mai 2022: Jetzt ging es um den Roman “Hundert Jahre Einsamkeit” von Gabriel García Márquez (1927–2014) aus Kolumbien, der 1982 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Hier unser Zitat:
“Macondo war damals ein Dorf von zwanzig Häusern aus Lehm und Bambus am Ufer eines Flusses mit kristallklarem Wasser, das dahineilte durch ein Bett aus geschliffenen Steinen, weiß und riesig wie prähistorische Eier. Die Welt war noch so jung, daß viele Dinge des Namens entbehrten, und um sie zu benennen, mußte man mit dem Finger auf sie deuten. Alljährlich im Monat März schlug eine Familie zerlumpter Zigeuner ihr Zelt in der Nähe des Dorfes auf und gab mit einem gewaltigen Getöse aus Pfeifen und Trommeln die neuesten Erfindungen bekannt…”
Noch ein paar Hintergründe zu “Hundert Jahre Einsamkeit”:
Der Roman begleitet mehrere Generationen einer Familie Buendía über hundert Jahre ihres Lebens in einem fiktiven kolumbianischen Dorf Macondo. Er gilt als eines der wichtigsten Werke der latainamerikanischen Literatur. Seit der ersten Ausgabe 1967 wurden mehr als 30 Millionen Exemplare verkauft, es gibt Übersetzungen in über 30 Sprachen. Mehr Hintergründe wie üblich auf Wikipedia.
Gabriel García Márquez arbeitete zunächst als Journalist und schrieb Drehbücher, Kolumnen, Reportagen, Kurzgeschichten und Erzählungen. Umstritten war er wegen seiner Freundschaft mit Fidel Castro, der ihn gebeten hatte, ein Buch über dessen Revolution zu schreiben. Mit dem Roman Hundert Jahre Einsamkeit („Cien años de soledad“) gelang ihm 1967 der Durchbruch als Schriftsteller. Neben vielen anderen Werken folgte im Jahr 1985 mit dem Roman “Die Liebe in den Zeiten der Cholera” ein weiterer Welterfolg (der es z.B. in den Jahren 1987 und 1988 für 68 Wochen Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste schaffte),
Ausgabe Febr./März 2022: Diesmal fragten wir nach einem Märchen, passend zum Jahreswechsel. Es war “Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern” von Hans Christian Andersen (1845). Zitiert haben wir den Anfang:
“Es war ganz abscheulich kalt; es schneite, und es begann zu dunkeln und Abend zu werden; es war auch der letzte Abend im Jahr, der Altjahrsabend. In dieser Kälte und in dieser Dunkelheit ging ein kleines, armes Mädchen mit bloßem Kopf und nackten Füßen die Straße entlang; ja, sie hatte allerdings Pantoffeln angehabt, als sie von Hause fortging; aber was nützte das schon! Die Pantoffeln waren sehr groß gewesen, ihre Mutter hatte sie zuletzt getragen, so groß waren sie, und die verlor die Kleine, als sie über die Straße eilte, weil zwei Wagen so schrecklich schnell vorbeifuhren; der eine Pantoffel war nicht zu finden, und mit dem anderen rannte ein Junge weg; er sagte, den könnte er als Wiege gebrauchen, wenn er selber Kinder bekäme…”
Hintergründe zu “Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern”:
Die Geschichte war für Andersen das einzige Auftragswerk, das er je geschrieben hat. Eine Kopenhagener Zeitung bestellte bei ihm eine möglichst zu Herzen gehende Geschichte, damit die Spendenbereitschaft zur Weihnachtszeit wächst. Andersen hatte von einem Bekannten drei kleine Bilder (Karten) geschickt bekommen. Auf einer Zeichnung war ein kleines, bettelndes Mädchen mit einer Handvoll Streichhölzern abgebildet, das somit der Impuls für das Märchen wurde. Betteln war in Dänemark offiziell verboten, so wurde es als Verkauf von Streichhölzern getarnt: das Märchen ist also nicht nur eine zu Herzen gehende Geschichte geworden, sondern auch eine starke Sozialkritik.
Die Geschichte wurde auch mehrfach verfilmt. Für mehr Infos siehe auch Beitrag in Wikipedia.
Nebenbei: mit dem Ratespiel zum richtigen Märchen hatten wir diesmal auch drei Käsekuchen verlost. Die Gewinner haben sich gefreut!
Ausgabe Dez. 2021/Jan. 2022: Diesmal musste es natürlich etwas sein mit Blick auf die Weihnachtszeit. Thomas Mann und “Buddenbrooks” war die richtige Anwort; zitiert haben wir von Seite 534:
“Der ganze Saal, erfüllt von dem Dufte angesengter Tannenzweige, leuchtete und glitzerte von unzähligen kleinen Flammen, und das Himmelblau der Tapete mit ihren weißen Götterstatuen ließ den großen Raum noch heller erscheinen. Die Flämmchen der Kerzen, die dort hinten zwischen den dunkelrot verhängten Fenstern den gewaltigen Tannenbaum bedeckten, welcher, geschmückt mit Silberflittern und großen, weißen Lilien, einen schimmernden Engel an seiner Spitze und ein plastisches Krippenarrangement zu seinen Füßen, fast bis zur Decke emporragte, flimmerten in der allgemeinen Lichtflut wie ferne Sterne. …”
Hintergründe zu “Buddenbrooks”:
Der Roman über den Verfall einer Familie erschien 1901 und ist eines der ersten großen Werke von Thomas Mann; es gilt als der erste Gesellschaftsroman in deutscher Sprache von Weltgeltung. Thomas Mann hat den Roman schon im Alter von 25 Jahren fertiggestellt. Erstauflage: 1.000 Exemplare und der Verkauf lief zunächst schleppend, aber bereits 1918 waren 100.000 Exemplare verkauft. Am 12. November 1929 erhielt Thomas Mann für Buddenbrooks den Nobelpreis für Literatur; es folgte eine englisch sprachige Ausgabe und damit auch der weltweite Durchbruch (später verfügbar in über 30 Sprachen). Es gibt mehrfache Verfilmungen der Familiengeschichte, die zu großen Teil auch Bezüge hat auf die eigene Familie von Thomas Mann. Für mehr Infos siehe Beitrag in Wikipedia.
Ausgabe Okt./Nov. 2021: Es war keine kurze Geschichte, aus der wir beim ersten Mal zitiert haben, sondern eine recht lange: Michael Ende und “Die unendliche Geschichte“. Zitiert hatten wir u.a.:
“Draußen war ein grauer kalter Novembermorgen und es regnete in Strömen. Die Tropfen liefen am Glas herunter und über die geschnörkelten Buchstaben. Alles, was man durch die Scheibe sehen konnte, war eine regenfleckige Mauer auf der anderen Straßenseite. Plötzlich wurde die Tür so heftig aufgerissen, dass eine kleine Traube von Messingglöckchen, die über ihr hing, aufgeregt zu bimmeln begann und sich eine ganze Weile nicht wieder beruhigen konnte”. …
Hintergründe zum Buch “Die unendliche Geschichte”:
Das Buch erschien 1979 im K. Thienemanns Verlag nach einer fast dreijährigen Arbeitszeit von Michael Ende. Die phantasievolle Erzählung bescherte dem Autor viele Preise und internationalen Ruhm. Damit hatte wohl kaum jemand gerechnet: die erste Auflage lag bei 20.000 Exemplaren. Nach drei Jahren, vielen Wochen auf der Spiegel-Bestseller-Liste und fünfzehn Neuauflagen waren es dann schon fast eine Million Exemplare, die verkauft wurden. Michael Ende starb 1995 und die Auflage bereits sensationelle 5,6 Millionen erreicht. Für mehr Infos siehe Beitrag in Wikipedia.
Bereits ein Jahr nach der Veröffentlichung bemühte sich Produzent Bernd Eichinger um die Rechte zur Verfilmung der Unendlichen Geschichte. Der zugehörige Film erschien 1984 und hatte über 60 Millionen DM als Produktionskosten (in jener Zeit ein enormer Betrag). Das Drehbuch zum Film stammte von Regisseur Wolfgang Petersen und Michael Ende distanzierte sich immer mehr davon, da ihm die Distanz zum Buch zu groß vorkam (konnte den Film am Ende aber nicht mehr verhindern). Später folgten sogar noch zwei Fortsetzungs-Filme.