Die Verkehrsanbindung Betzenhausen – Freiburg

In die Strassenbahn einsteigen und 10 Minuten später in der Innenstadt von Freiburg: so ist es heute. Da vergisst man leicht, wie beschwerlich die ca. 5 km zwischen Alt-Betzenhausen und dem historischen Freiburg doch in früheren Zeiten warer. Um so verständlicher, dass die Verkehrsanbindung ein elementarer Teil des Eingemeindungsvertrags von 1908 wurde. Sogar die Stassenbahn war dabei schon erwähnt: die ersten Gleise waren wenige Jahre vorher in Freiburg verlegt worden.

War doch u.a. der Markt in Freiburg von großer Bedeutung, auf dem Betzenhausener Landwirte mehrmals in der Woche vertreten waren. Bis dahin war es ein Weg zu Fuß, mit dem Rad oder dem Pferde-Karren über die damalige “Lehener Strasse”. In Erinnerung an diese alten Zeiten übernahm der Kultur und Geschichtskreis Betzenhausen im Herbst 2020 die Patenschaft für einen Marktkarren im Ausgustinermuseum, der noch bis 1954 zum Münsterplatz gezogen wurde.

Bus und Strassenbahn

Bei dem genannten Hintergrund war die Verkehrsanbindung nach Freiburg auch für den 1910 gegründeten Lokalverein von Betzenhausen ein besonderes Anliegen. Im September 1926 wurde zumindest schon mal eine direkte Busverbindung erreicht. Das klappte 20 Jahre gut, am Ende des Krieges brach die Linie aber zeitweise zusammen (vor allem wegen Kraftstoff-Mangel). Ab 1948 wurde eine geänderte Linie eingeführt, die im Ringverkehr über verschiedene Stationen im Westen fuhr (u.a. Hofackerstrasse); einige Jahre später wurden daraus wieder zwei getrennte Linien für Mooswald und Betzenhausen.

Erst im Jahr 1978 begannen die Bauarbeiten für eine Strassenbahnverbindung von der Paduaallee in die Innenstadt auf dem Mittelstreifen der Sundgauallee. Die Eröffnung am 9. Dez. 1983 war ein großes Fest: der Vorstand des Bürgervereins erschien in Kleidung der Jahrhundertwende und Spruchband: “Schon 1908 versprochen, heut’ wird’s endlich wahr, die Stadtbahn fährt nach Westen, ist das nicht wunderbar!”. Heute ist es die am meisten genutzte Linie der VAG. Davor lag ein langer Weg und so manche zwischenzeitliche Planungsidee wirkt heute eher skurril, z.B. zur Querung des Bahnhofs mittels Tunnel oder Hochbahn. Schon 1980 – also während der Umsetzungsphase – gab es im Bürgerblättle eine Artikelserie zur Entwicklung dieser Stadtbahn in den Westen.

Im Juni 1985 wurde dann auch die Verlängerung der Linie 1 nach Landwasser fertiggestellt. Gleichzeitig ging die Wendeschleife Bissierstrasse in Betrieb zur Anbindung des “Behördenzentrums” an der Berliner Allee (incl. Park&Ride); ein Kreuzungspunkt auch für mehrere Buslinien.

Hier sei noch etwas kurioses erwähnt: Ende 1960er Jahre hatte man viel Phantasie bzg. zuküftiger Verkehrssysteme und so stand kurzzeitig auch ein sog. CAT zur Diskussion; ein Kabinentaxisystem, bei dem kleine Kabinen für bis zu 4 Personen über der Straße schweben sollten (einwenig Wuppertaler Schwebebahn also in Freiburg). Insbesondere angedacht auch als Verbindung in den Westen. Es  blieb bei einer Studie, am Ende wurde es die bekannte Straßenbahn über die Sundgauallee.

Die Sundgauallee

Die historische Lehener Strasse war zentrales Element der Ost-/West-Verbindung und führte von Freiburg bis nach Lehen (was der Strassen-Name ja auch nahelegt). Das Dorf Betzenhausen befand sich an der Kreuzung von Lehener Strasse und Dietenbachstrasse (letztere also wichtiger Teil einer Nord-/Süd-Verbindung).  Wer direkt den Unterschied zwischen 1929 und heute sehen möchte: Joachim Scheck von Vistatour History Tour hat zwei Bilder übereinander gelegt (siehe hier).

Bereits Ende der 1920-er Jahren war insbesondere die Lehener Straße so stark befahren, das ein Verbreiterung in Angriff genommen wurde. Umgesetzt wurde diese Verbreiterung in den frühen 30er-Jahren. Nebenbei: auch damals wurde schon ein starkes Fahrrad-Aufkommen festgestellt. Folglich hat man auch damals schon Radwege beidseitig der Lehener Str. vorgesehen.

Mit der Bombennacht von 1944 wurde das Ortszentrum von Betzenhausen mit vielen der damaligen Gebäude zerstört. Ein Wiederaufbau von Betzenhausen ensprechend früherem Bestand war nicht vorgesehen: vielmehr bot der neue “Freiraum” jetzt der Stadt Freiburg die Gelegenheit, über eine neue, “fortschrittliche” Gestaltung nachzudenken. Und die sollte natürlich großzügig gedacht und Auto-orientiert sein. Dieses Neu-Denken führte letztendlich zu der Sundgauallee, wie wir sie heute kennen und deren Breite (ca. 30 m) heute als ein stark trennendes Element im Stadtteil empfunden wird. In gewisser Weise hat also die Kriegs-Zerstörung von Betzenhausen die heutige Situation erst erlaubt, wobei allerdings auch Gebäude, die den Krieg überstanden hatten, jetzt ein Opfer der neuen Planung wurde und geräumt werden mussten.

Die in der anfänglichen Planung der 1960er Jahre erwarteten Verkehrszahlen für die Sundgauallee wurden nie erreicht, was letztendlich auch durch die parallel entstandenen Planungen für den Zubringer Mitte begründet ist. Als ursprüngliche Bundesstraße B 31 sollte die Sundgauallee eine leistungsfähige Verbindung zwischen Freiburg und Breisach sicher stellen und dabei gleichzeitig für einen Anschluss an die Autobahn sorgen: der so geplante Ausbau der Sundgauallee wurde auch dann noch weitergeführt, als nicht viel später die Verlegung der B 31 an die Dreisam auf den Tisch kam.

An den Rändern der Sundgauallee entstand ab der 1960-er Jahre der neue Bezirk Bischofslinde. Parallel sollte am westlichen Ende auch das dörflichen Alt-Betzenhausen ein städtisches Flair erhalten: Hochhäuser sollten für eine attraktive Urbanität sorgen mit der Sundgauallee als “Boulevard des Westens”. Wie viel kleinstädtischer es vorher noch zuging, zeigt ein Titelbild des Bürgerblättle (Ausgabe 203) mit Vergleich von Bildern aus dem Jahr 1973 und 2010: die beiden Häuser im unteren Bild von 1973 würden heute auf der Mittel-Trasse der Stassenbahn stehen.

Ca. ab dem Jahr 2000 enstanden erste Ideen für eine Auffrischung der Sundgauallee bzw. einem Rückbau der breiten Fahrbahn zugunsten von Rad-/Fußwegen. Eine Anpassung an den wirklichen Bedarf; vor allem auch mit der Ziel einer verbesserten Aufenthaltsqualität. Ein neues Einkaufszentrum (Brielmann-Gelände) in unmittelbarer Nähe gab zusätzlichen Anschub für diese Ideen. Daraus wurde das ZAK = ZentrenAktivierungsKonzept. Erste Umbaumaßnahmen erfolgten ab 2012 auf dem Platz am Bischofskreuz und danach an der westlichen Sundgau mit Haltestelle Betzenhauser Torplatz.

Eine Episode: das “Esso Motor Hotel” (Motel)

Die Sundgauallee also neue zentrale Verbindung von Freiburg in den Westen (und damit z.B. auch zur Autobahn) lockte Mitte der 1960er-Jahre auch Esso an diese Strasse. Die Tankstelle gibt es noch heute, anfangs war sie sogar auf beiden Seiten der Strasse zu finden (heute sind dort StuSie-Gebäude). Und anfangs wurde im Gebäude neben der heutigen Tankstelle zusätzlich ein „Esso Motor Hotel“ betrieben, von denen es insgesamt nur drei Deutschland gab. Für etwa 10 Jahre war es auch ein beliebtes Restaurant im Stadtteil. Ausführliche Infos zum Konzept der Esso Motor Hotels sind auch in Wikipedia zu finden.

Zumindest einmal (im Jahre 1970) waren dort prominente Fußballer zu Gast: die Bundesliga-Mannschaft des SF Schalke 04. Anlass war ein Spiel gegen die Kicker von Eintracht Freiburg. Zufällig oder nicht: es war 50 Jahre nach Gründung der ersten Fußballmannschaft in Betzenhausen und natürlich war ein Großereignis für die Eintracht. Einige Namen der Schalke-Spieler dürften heute noch bekannt sein: Rolf Rüssmann, Torwart Norbert Nigbur, oder die Kremers-Zwillinge. Trainiert wurde die Mannschaft damals von Trainer-Legende Rudi Gutendorf. Ein Ergebnis hatte das Spiel auch: 5:2 für Schalke; die Eintracht hat sich also durchaus wacker gehalten (siehe auch Beitrag zu  100 Jahre Vereinsfussball in Betzenhausen).

Das betroffene Gebäude an der Tankstelle kennen wir heute als Ärztehaus und Verwaltungsgebäude.

Dietenbachstrasse und Paduaallee (Westrandstrasse)

Freiburg bildete historisch schon immer den Knotenpunkt zwei wichtiger Verbindungen: zum einen die Ost-West-Route als Verbindung vom Schwarzwald in Richtung Frankreich; zum anderen die Nord-Süd-Verbindung zwischen Karlsruhe und Basel am Rand des Schwarzwaldes bzw. entlang des Rheins. Ein wichtiger Teil der Nord-Süd-Verbindung war früher die Dietenbachstrasse. In den 1960-er Jahren wurde klar, dass mit wachsendem Verkehr eine großzügige West-Umgehung erforderlich wird (heute die Verbindung zwischen Gundelfingen und St. Georgen).  Das Projekt “Westrandstraße” wurde geboren; im Jahr 1962 genehmigte der Gemeinderat den ersten Abschnitt mit Bau der Mooswaldallee.

Foto: Stadt Freiburg

Für den heutigen Teil der Paduaallee zwischen Betzenhausen und Lehen wurde anfangs eine abenteuerliche Lösung vorgeschlagen und im Jahr 1971 sogar vom Gemeinderat 1971 knapper Mehrheit gebilligt: die Paduaallee sollte auf einer Art Damm verlaufen mit fast 8 Metern Höhe und über 50 Meter Breite. Beginnen sollte der Damm bei Querung der Breisacher Bahn im benachbarten Mooswahl, auslaufen sollte er nach Überquerung der Dreisam. Der Anschluss an Betzenhausen, Lehen und die Sundgauallee wäre Autobahn-ähnlich gewesen mit einer Strassenführung bis fast vor die St. Thomas Kirche. Dagegen bildete sich eine Bürgerinitiative mit Bürgern beteiligter Stadtteile (gegründet vom Ortsverein Betzenhausen), denn dieses Vorhaben hätte die Stadtteile im Westen – insbesondere Betzenhausen und Lehen – wie ein Mauer getrennt. Die Bedrohung durch eine “2. Berliner Mauer” wurde ausdrücklich angeführt.

Aus dieser Initiative entstand der Gegenvorschlag mit einer tiefergelegten Paduaallee, wie wir sie heute kennen: persönliche Verbindungen zur Landesregierung in Stuttgart waren in diesem Fall hilfreich; dort konnte man überzeugen! Zuschüsse machten schon bald den Weg frei für den Vorschlag der Bürgerinitiative. Letztendlich stimmte ein Jahr später auch der Freiburger Gemeinderat zu. Ähnliche Varianten waren vorher aus Kostengründen verworfen worden. So konnte der Damm als große “Mauer” zwischen Betzenhausen und Lehen von aktiven Bürgern vermieden werden!

Doch der Bau der Gesamtverbindung brauchte seine Zeit: zwischenzeitlich musste immer mehr Verkehr in unfertigen Abschnitten über die vorhandenen Strassen geleitet werden; das waren insbesondere die Hofacker- und Dietenbachstraße. Sehr zum Leidwesen der Anwohner dort: am Ende der Dietenbachstraße ging es zunächst einspurige über die alte Dreisambrücke nach Weingarten und eine Ampel regelte den Verkehr. Natürlich waren lange Staus bis zurück zur Sundgauallee die Folge: so wurden im Jahr 1970 auf der Dietenbachstraße an einem Tag erst 4.700 Fahrzeuge (incl. LKW) gezählt; 10 Jahre später waren es schon unglaubliche 12.300 Fahrzeuge (an einem Tag!).  Mit wachsendem Verkehr installierte man temporär eine Zusatzbrücke über die Dreisam, so dass der Verkehr hier zumindest in beide Richtungen laufen konnte. Mit Weiterbau der Weststrasse kam dann endlich Endspannung: 1982 konnte die Dietenbachstraße endlich für den Durchgangsverkehr gesperrt werden (ein wichtiges Anliegen für den damaligen Bürgerverein).

Die heutige vierspurige Brücke zur Überquerung der Dreisam als Teil der Paduaallee wurde 1988 fertiggestellt. Die Westrandstrasse konnte den wachsenden Verkehr aufnehmen und sie brachte natürlich auch Entlastung für innerstädtische Strecken (Rückbau der Eschholzstraße, die auch schon mal 4-spurig war). Mehr zur dazu siehe unser Beitrag Westrandstrasse (Paduaallee).